
Dieser Reflex nimmt seine Tätigkeit ungefähr in der achtzehnten Schwangerschaftswoche auf, etwa zu derselben Zeit, zu der die Schwangere die Bewegungen ihres Kindes zum ersten Mal spürt. Wenn das Baby den Kopf zur einen Seite dreht, strecken sich Arm und Bein zur selben Seite, während sie sich auf der anderen Seite beugen. Diese Bewegung sollte im Verlauf der Schwangerschaft an Stärke zunehmen und damit die Bewegungsentwicklung, besonders Drehbewegungen im engen Raum der Gebärmutter, und den Aufbau von Muskeltonus vorantreiben. Es ist vor allem der ATNR, der zusammen mit anderen Reflexen den Geburtsprozess unterstützt. Das Baby muss eine Reihe von Drehbewegungen machen um sich dem mütterlichen Becken anzupassen.
Der Reflex wird unter dem vaginalen Geburtsvorgang genutzt und dadurch maximal stimuliert. Durch eine vaginale Geburt erlangt er maximale Aktivität, sodass er sich nachgeburtlich hemmt. Bei Abweichungen vom normalen Geburtsprozess (Kaiserschnitt, Saug- oder Zangengeburt, Früh- oder Sturzgeburt etc.) kann der ATNR nicht zum vollen Einsatz kommen. Er schwächt sich dann zwar in seiner Wirkung nachgeburtlich ab, jedoch gelingt eine vollständige Hemmung selten. Erst wenn der ATNR erfolgreich gehemmt ist, kann das Baby mühelos seine Hände zur Körpermittellinie (und etwas später auch darüber hinaus) führen und den Gegenstand zur näheren Inspektion zum Mund führen. Dann werden auch seine Augenbewegungen zunehmend unabhängiger von der Kopfbewegung, was die Voraussetzung dafür ist, dass man ein Objekt visuell ‚fixieren‘ kann, obwohl man sich selbst oder die Umgebung sich bewegt.
Behält der ATNR über den 4.-6. Lebensmonat hinaus seinen Einfluss, wird er zu einem unterschiedlich starken Hemmnis in der weiteren grob- und feinmotorischen Entwicklung, da eine Kopfdrehung weiterhin eine unwillkürliche Strecktendenz in den Muskeln der Gliedmaßen auf der Gesichtsseite auslöst. Wenn Kinder sich nicht zum richtigen Zeitpunkt vom Rücken auf den Bauch drehen oder wenn das Kriechen auf dem Bauch merkwürdig aussieht oder gar nicht stattfindet, kann ein ATNR dafür verantwortlich sein, da Beugung und Streckung der Gliedmaßen immer noch von der Kopfbewegung und -haltung beeinflusst werden und damit alle Überkreuzbewegungen erschwert sind. Besonders deutlich kann man dann nicht erfolgreich gehemmte Reste eines ATNR bei Kindern beobachten, wenn sie in die Schule kommen und Lesen und Schreiben lernen sollen.