Integration der Sinnessysteme (Sensorische Integration) ist die Koordination, das Zusammenspiel unterschiedlicher Sinnesqualitäten und -systeme
Sinneseindrücke werden durch die verschiedenen Sinnesorgane und -systeme als eine Vielzahl von Reizen zum Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Das Gehirn wählt dabei – um eine Reizüberflutung zu vermeiden – die Reize aus, die in einem bestimmten Moment für uns sinnvoll und wichtig sind. Sinneswahrnehmung ist somit die sinngebende Verarbeitung von Reizen und damit die Grundlage kindlicher Entwicklung und kindlichen Handelns, außerdem die Voraussetzung für den Aufbau kognitiver Fähigkeiten.
Grundsätzlich sind die verschiedenen Sinnessysteme nicht voneinander zu trennen, da die Sinnesorgane zusammenarbeiten. Informationen aus der Umwelt werden meist über mehrere Sinneskanäle gewonnen.
Eine grobe Unterteilung trifft man in sogenannte Nah- und Fernsinne. Nahsinne sind diejenigen, bei denen die Reizquelle einen unmittelbaren Kontakt zum Körper hat, u. a. der Lage- und Bewegungssinn (taktile Wahrnehmung) und der Gleichgewichts- und Bewegungssinn (vestibuläre Wahrnehmung).
Bei den Fernsinnen besteht kein direkter Kontakt zwischen der Reizquelle und dem Körper. Dies sind u. a. der Hörsinn (auditive Wahrnehmung) und der Sehsinn (visuelle Wahrnehmung)
Taktile Informationen lassen sich unterscheiden nach Art der Herkunft: Bei der Oberflächensensibilität handelt es sich um Empfindungen, die über Rezeptoren in der Haut wahrgenommen werden. Diese Rezeptoren können Temperatur, Druck, Berührung, Vibrationen und Schmerz wahrnehmen. Die Verarbeitung dieser Sinneseindrücke ist Voraussetzung dafür, dass Kinder Körperkontakt als angenehm empfinden. Dadurch werden sie befähigt, Sicherheit und Geborgenheit zu empfinden. Das emotionale Empfinden ist u. a. von großer Bedeutung für die Entwicklung der Lernfähigkeit.
Bei der Tiefensensibilität bzw. Eigenwahrnehmung werden Reize nicht aus der Umwelt, sondern aus der Tiefe des eigenen Körpers aufgenommen. Die Rezeptoren dafür liegen in den Muskeln, Gelenken und Sehnen. Durch diese Eigenwahrnehmung ist das Kind in der Lage, die Grenzen seines Körpers zu erfassen. Darüber hinaus erhält das Gehirn Informationen über die Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung der Gliedmaßen sowie über das erforderliche Maß an Muskelkraft, um eine Bewegung durchzuführen. Eine gute propriozeptive Wahrnehmung ist Voraussetzung für viele alltägliche Dinge, wie z. B. schnelle Handlungsabläufe (z. B. Fahrradfahren, flüssiges Schreiben), Speicherung und Automatisierung von Bewegungsabläufen, zielgerichtete Planung von Handlungen (Bewegungsplanung), Lautbildung und Artikulation, abrufen schriftlicher Symbole aus dem Gedächtnis (z. B. Zahlen oder Buchstaben) um rechnen und schreiben zu können, Formwahrnehmung und -unterscheidung, Raumwahrnehmung und -vorstellung, Kontrolle über die eigenen Bewegungen, Speichelkontrolle.
Der Gleichgewichtssinn (vestibuläre Wahrnehmung) mit dem Vestibularapparat im Innenohr hält uns nicht nur körperlich in Balance, sondern auch psychisch und emotional. Durch den Vestibularapparat im Innenohr erhalten wir Informationen über Lage- und Haltungsveränderungen sowie Dreh- und Fortbewegungen unseres Körpers. Dadurch können wir unseren Körper aufrechterhalten, uns im Raum orientieren und beim Gehen, Springen und Laufen unser Gleichgewicht halten. Das Halten des Gleichgewichts läuft unbewusst und reflexartig ab. Da der Gleichgewichtssinn Verbindungen zu anderen Sinnessystemen hat, ist er u. a. auch unerlässlich für die Gesamtkörperkoordination, die Augenmuskelkontrolle, der auditiven und visuellen Wahrnehmung, der Auge-Hand-Koordination sowie der Raumwahrnehmung und der Regulation Regulierung des Muskeltonus. Der Gleichgewichtssinn spielt bei der Auslösung der frühkindlichen Reflexe (FLR/ Moro, ATNR und TLR) eine zentrale Rolle. Der Gleichgewichtssinn lässt sich auch bei einem Hörtraining positiv beeinflussen.
Der Sehsinn (visuelle Wahrnehmung) mit dem Auge als Sinnesorgan gibt uns die Fähigkeit, optische Reize aufzunehmen, zu unterscheiden, einzuordnen, zu interpretieren und mit früheren Erfahrungen zu verbinden und entsprechend darauf zu reagieren. Die Aufgaben der visuellen Wahrnehmung sind die Farb- und Formwahrnehmung und das visuelle Gedächtnis. Sie ist Voraussetzung für die visuomotorische Koordination (Auge-Hand-Koordination), die Figur-Grundunterscheidung (Konzentration auf den wichtigsten visuellen Reiz, Wahrnehmung einzelner Figuren auf einem komplexeren Hintergrund), die Wahrnehmung der Formkonstanz (geometrische Formen als gleich erkennen, unabhängig von ihrer Größe und Lage), das Erkennen der Lage im Raum (Raum-Lage-Beziehung eines Gegenstandes zum Wahrnehmenden erkennen), das Erkennen räumlicher Beziehungen („vor“, „hinter“, „neben“ usw.). Die Unterscheidung dieser fünf Bereiche spielen eine große Rolle in der Entwicklung von kognitiven Leistungen wie Malen, Schreiben, Mathematik usw.
Der Hörsinn (auditive Wahrnehmung) gibt uns die Fähigkeit, akustische Reize aufzunehmen und zu verarbeiten. Er ist die grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung von Sprache und Schriftsprache. Sie ermöglicht es uns Töne, Geräusche und Klänge wahrzunehmen und zu unterscheiden. Seine Aufgabe sind die auditive Aufmerksamkeit (Konzentration auf das Gehörte), die auditive Figur-Grund-Wahrnehmung (Herausfiltern von wichtigen Geräuschen), die auditive Lokalisation (Erkennen und räumliche Einordnung einer Geräuschquelle), die auditive Diskriminierung (Erkennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Lauten und Tönen z. B. „d“ und „t“ oder „g“ und „k“), auditive Merkfähigkeit (Speichern von Gehörten, um es wiederzuerkennen und abrufen zu können z. B.: Lesen lernen – Behalten der richtigen Reihenfolge von Buchstaben und Worten) und das Verstehen des Sinnbezugs (inhaltliche Zuordnung von Tönen und Lauten z. B.: ein Kind sollte ein hupendes Auto auf der Straße nicht nur hören können, sondern dem auch eine Bedeutung geben können). Bestehen hier Defizite, kann dies durch ein Hörtraining nach JIAS verbessert werden. Meist werden dadurch auch die Gleichgewichtsfunktionen positiv beeinflusst.